Ein besonderer Zauber liegt in dem Moment, in dem die Sonne sinkt, Himmel und Erde sich vereinen und ein Stück von uns mit ins Jenseits der Fantasie tragen. Stille. Innehalten. Gold-rot-violettes Licht. Wir lassen den Tag Revue passieren, sinnieren über den ewigen Kreislauf von „Kommen und Gehen“, „Werden und Vergehen“ und sind ganz im Jetzt und Hier.   So ging es mir auch, als ich die Abendsonne hinter dem Kirschbaum untergehen sah. Ein runder Ballon, noch voller weißgelber Leuchtkraft und Energie. Und gleichzeitig schon im Begriff, sich zu verabschieden, das Drumherum in rubinrote und bräunliche Erden-Töne tauchend. Dieses Farbenspiel spiegelt sich ich den bunten Acryl-Tupfern wider, die in unterschiedlichen Größen über die Leinwand tanzen – manche mit, manche ohne „Schweif“ – wie Sternschnuppen- oder Funkenzauber, passend zur Magie des Moments.    In der Mythologie des alten Ägypten fährt die Abendsonne auf ihrer Barke in den Mund der Göttin Nut hinein, die sie grazil als Nachthimmel gekrümmt, empfängt. Der Abendstimmung, in der sich Tag und Nacht, Hell und Dunkel, Oben und Unten, Vorne und Hinten vereinen und miteinander verschwimmen, haftet immer ein Hauch von Erotik, Verführung und auch Melancholie an. Denn der Tag geht zu Ende und kehrt nie wieder.    Laut Harold Seidelmann und James Turner (Inuit Imagination) war die Phase des Zwielichts für die Inuit eine Zeit, zu der sich der Schatten eines Schamanen von dessen Körper trennen und in unsichtbare Gefilde eintreten konnte. Und auch wir erhalten in der Abenddämmerung und beim Betrachten der untergehenden Sonne oft eine Ahnung davon, dass es mehr gibt, als das, was wir sehen und (be)-greifen können.   Lasst uns den Zauber der Abendsonne genießen, uns ihm ganz hingeben, den Abschied vom Tag zelebrieren – in dem tiefen Vertrauen, dass die Sonne am Morgen wieder aufgehen wird.  Wie sich die Verführung und die Melancholie der Abendsonne anhören, erfahrt ihr, wenn ihr den Klängen meiner indianischen Flöte von Syotanka lauscht auf meinem YouTube-Kanal: https://youtu.be/9tBbvhiEaSg