Seit etwa 12 Millionen Jahren gibt es Rabenvögel, zu denen auch Saatkrähen, Kolkraben, Elstern oder Eichelhäher zählen. Wir finden Raben auf der ganzen Welt. Um keinen anderen Vogel ranken so viele Geschichten und Mythen. Oft lösen die faszinierenden glänzend-schwarzen Vögel Angst und Unbehagen aus, werden etwa im Christentum als Unheil- oder Todesbringer gefürchtet und rufen widersprüchliche Assoziationen hervor. Je nach Kultur wird der Rabe als Überbringer des Lichts, Schöpfer der Welt (in einigen indianischen Stämmen) und des Menschen (Weltbild der Eskimos) gesehen oder wie im Keltischen mit Hinterlist und Krieg in Verbindung gebracht – wobei auch die keltische Mythologie ihm Fruchtbarkeit und Weissagung zuschreibt. In China verkörpert der „dreibeinige Rabe“ die drei Stadien der Sonne „Aufgang, Zenit und Untergang“.   Fakt ist: Raben sind intelligente Tiere, entgegen ihres Rufs, fürsorgliche Eltern und haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Oft kommen sie in Schwärmen zusammen, um gemeinsam die Nacht in Bäumen zu verbringen. Rabenpaare sind sich übrigens ein Leben lang treu. Als Aasfresser sorgen Raben für „Ordnung“ und „reinigen“ die Umwelt. Da sie genau beobachten, Geräusche und Sprache imitieren können, spricht man ihnen in vielen Kulturen Zauberkräfte, prophetische Gaben und Weisheit zu. Der Rabe gilt als Orakeltier, als weiser Wandler zwischen den Welten, der uns einlädt, einen Blick in die „Anderswelt“ und auch auf unsere eigenen dunklen Seiten zu werfen, sie ans Licht zu holen und zu wandeln.   Mein Bild „Rabenbaum“ zeigt die Vögel in der Krone eines fast kahlen Baums sitzend. Manche suchen die Nähe und schauen sich an, andere sitzen ein wenig abseits und lassen den Blick in die Ferne schweifen. Sie wirken wie eine Gemeinschaft, in der jedes Individuum sein kann, wie es ist. So wie die unterschiedlichen Äste des Baums, die ich mit Pinselstrichen in dunkelblauer und roter Acrylfarbe betont habe, mit dem Stamm verbunden sind, verbindet auch die einzelnen Raben die Rabengemeinschaft. Mit blauen Strichen, die ich mit der Hand von der linken Baumseite bis in die Krone gezogen habe, gebe ich dem Bild einen Schleier des Mystischen, der wie ein Lufthauch oder ein Nebelfeld über den blau-schwarz-glänzenden Vögeln mit den klugen Augen und dem aufmerksamen Blick liegt.