und wie sie uns lehrt, Perfektion neu zu definieren

Bei einem meiner jüngsten Spaziergänge durchs Feld ist sie mir aufgefallen. Die kleine Kamille. Sie stand da, inmitten ihrer Schwestern. Aufrecht. Mit ihrem leuchtend gelben Blütenkörbchen und den weißen Blütenblättern, die am Ende gezackt sind. Eine von vielen. Und doch einzigartig. So, wie auch jede/r von uns einzigartig ist. 
Ein wenig zerrupft wirkte sie. So als sei der Wind durch sie gefahren. Die Abstände zwischen den Blütenblättern nicht ganz gleichmäßig, das Blütenkörbchen an der ein oder anderen Stelle löchrig. Ganz gewiss war die kleine Kamille nicht perfekt. Und vielleicht gerade deswegen so besonders. 

Ich habe sie angeschaut und mich gefragt, was „perfekt“ ist. Und wer das eigentlich bestimmt. Ist perfekt, wenn alles symmetrisch, ästhetisch, intakt, voll ausgebildet, gesund, kraftvoll, schön und makellos ist? Und wer oder was erfüllt diese Erwartungen schon? 

Kein Wunder, dass Millionen von Menschen mit sich hadern und sich unter Druck setzen, um möglichst nah an diesen Zustand zu kommen. Wer ruhig und zurückhaltend ist, besucht Rhetorik-Seminare und Selbstsicherheit-Trainings. Wer sehr lebhaft ist, geht zum Retreat ins Kloster. Wer kräftig ist, macht eine Diät. Sobald die ersten grauen Haare oder Falten sich zeigen, wird getönt und geliftet.
Was, wenn wir es einfach wie die kleine Kamille machen? Zu sein, wie und wer wir sind. Uns annehmen und lieben. Mit allen unseren Ecken und Kanten. Unseren eigenen Weg gehen. Niemandem als uns selbst gefallen wollen. 
Wäre das nicht perfekt?